Donnerstag, 27. Juni 2019
Strengere Energiegesetze, Klimastreik, steigende CO₂-Abgabe – die Immobilien-Branche ist gefordert, sich für klimafreundlichen Wohn- und Arbeitsraum einzusetzen. Was für Möglichkeiten haben grosse Immobilienbesitzer?
In ihrem aktuellen Beitrag für das Magazin «Immobilia» des SVIT beantworten Lars Konersmann und Lukas von Känel von Energie Zukunft Schweiz diese Frage und nehmen das Thema Solarstrom und erneuerbares Heizen genauer unter die Lupe.
GESELLSCHAFTLICHER WANDEL
Die gesellschaftliche Relevanz von Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen nimmt laufend zu. Strengere Energiegesetze, der Klimastreik, die steigende CO₂-Abgabe, die FDP im Klima-Clinch und ein Zürcher Baudirektor, der die Gebäudesanierungsrate verdreifachen will – die Immobilienbranche ist gefordert, sich für klimafreundlichen Wohn- und Arbeitsraum einzusetzen. Doch was für Handlungsmöglichkeiten haben grosse Immobilienbesitzer? Welche Massnahmen sind nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich interessant? Wir nehmen in diesem Beitrag das Thema Solarstrom und erneuerbares Heizen genauer unter die Lupe.
Eigenverbrauch von Solarstrom ist eine effiziente Möglichkeit, das Immobilienportfolio nachhaltiger auszurichten. Weil selbst produzierter Solarstrom günstiger ist als Strom aus dem Netz, schafft der Eigenverbrauch Mehrwert für Immobilienbesitzer und Mieter zugleich. Im Zuge der Energiestrategie 2050 hat das Eigenverbrauchsmodell in den vergangenen zwei Jahren weiter an Bedeutung und Attraktivität gewonnen: Mittlerweile beschränkt sich der Eigenverbrauch von Solarstrom nicht mehr auf einzelne Gebäude, sondern kann auf ein ganzes Areal oder eine Siedlung ausgeweitet werden. Dies erhöht den Eigenverbrauchsanteil und damit auch die Wirtschaftlichkeit der Solaranlagen massgeblich. Der Gesetzgeber sieht die Immobilienbranche als Schlüssel zur Energiestrategie und reguliert entsprechend – eine Anpassung der Energieverordnung des Bundes per April 2019 gibt Investoren nun auch mehr Freiheiten bei der Ausgestaltung der Solarstromtarife.
GEWERBEMIETER VERLANGEN SOLARSTROM
Dank massiv gesunkener Materialkosten und den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen hat die Solarenergie in der Schweiz den Sprung aus der Nische geschafft: Immer mehr Besitzer grosser Immobilienportfolios setzen auf den Eigenverbrauch von Solarstrom. Neben der Wirtschaftlichkeit ist oftmals auch eine bessere Mieterbindung ein entscheidendes Argument pro Eigenverbrauch. Nicht nur Privatpersonen sind an Eigenverbrauch interessiert, zunehmend bekunden auch gewerbliche Mieter Interesse an Solarstrom vom eigenen Dach. So setzen beispielsweise praktisch alle grossen Retailer der Schweiz auf die Karte Eigenverbrauch.
MIT EIGENVERBRAUCH ZUM OFFENEN STROMMARKT
Beim gewerblichen Einzelmieter ist die Messung und Abrechnung des Solarstroms einfach. Bei mehreren Mietern ist die Situation anspruchsvoller, die Abrechnung kann grossen Einfluss auf die Betriebskosten und damit die Wirtschaftlichkeit der Projekte haben. Der Bauherr steht hier meist vor der Entscheidung, ob er einen Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) gründet oder ob er das Modell des lokalen Verteilnetzbetreibers anwendet. Je nach lokalen Rahmenbedingungen kann das Eine oder das Andere günstiger sein. Bei der Bildung eines ZEV kann man ab einer Grösse von rund 30 Wohneinheiten den zusätzlich benötigten Netzstrom am freien Markt einkaufen. Für die Messung und Abrechnung in einem ZEV gibt es mittlerweile verschiedene Angebote, wobei die Abrechnungskosten je nach Dienstleister und Situation sehr unterschiedlich sind und einen grossen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit eines Projektes haben können.
Um die Entscheidung des Bauherrn zu erleichtern, erstellt Energie Zukunft Schweiz (EZS) zusammen mit dem Bundesamt für Energie eine jährliche Übersicht zu den Angeboten der Abrechnungsdienstleister und der Elektrizitätswerke (www.ezs.ch/abrechnung). Neben den tieferen Kosten spielen aus Sicht der Immobilienbesitzer möglichst einfache administrative Prozesse eine zentrale Rolle. Der Administrationsaufwand kann durch die Vermeidung von vertraglichen Anpassungen reduziert werden. Die Abrechnung über Nebenkosten – gesetzlich möglich – ist in den meisten Fällen nicht erwünscht. Bevorzugt werden Abrechnungsmodelle, bei denen das Inkasso weiterhin direkt über das Elektrizitätswerk oder einen externen Dienstleister erfolgt.
POTENZIAL BEI BESTANDESBAUTEN
Bei Sanierungen und Neubauten wird der Bau einer Solaranlage mittlerweile von den meisten grossen Immobilienbesitzern standardmässig geprüft. Das grösste Potenzial liegt jedoch bei den Bestandesbauten. Der Bau einer Solaranlage kann weitgehend entkoppelt vom Sanierungszyklus erfolgen, sofern eine Dachsanierung nicht demnächst ansteht. Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung bei Bestandesbauten ist eine gründliche Vorselektion: Zur Identifikation der interessantesten Objekte im Bestand empfiehlt sich eine PortfolioAnalyse. In einem ersten Schritt wird dabei analysiert, welche Liegenschaften aus technisch-wirtschaftlicher Sicht für den Eigenverbrauch besonders geeignet sind. Auf dieser Basis wird danach ein Umsetzungs- und Investitionsplan erstellt. Zusammen mit dem Portfoliomanager wird auch Synergiepotenzial identifiziert, oft bei Heizung und Warmwasser, Absturzsicherung oder Elektromobilität.
Insbesondere zur Heizung und zur Warmwasserproduktion gibt es interessante Schnittstellen. Zur Erhöhung des Eigenverbrauchsanteils kann der Solarstrom über eine Wärmepumpe für die Warmwasserproduktion eingesetzt werden. Im Gegensatz zur Heizung erfolgt die Erwärmung des Brauchwarmwassers ganzjährig und ermöglicht, dass ein grosser Teil der Solarstromproduktion direkt im Haus genutzt werden kann. Aber auch bei anderen Heizsystemen lässt sich der Solarstrom über einen Pufferspeicher und «power to heat» lokal nutzen, anstelle ihn für einen tiefen Vergütungssatz dem Netzbetreiber abzugeben.
Der Ruf aus Gesellschaft und Politik nach nachhaltigen, klimafreundlichen Lösungen wird immer lauter. Gleichzeitig sind die Chancen, mit einfachen und finanziell lohnenden Ansätzen etwas in dieser Richtung zu bewirken, besser als je zuvor. Der Eigenverbrauch von Solarstrom ist in dieser Hinsicht immer eine Überlegung wert.